St. Leonhard – Die neapolitanische Weihnachtskrippe
Die neapolitanische Krippe aus St. Leonhard
Neapel, 2. Hälfte 18. Jahrhundert
Ton, farbig gefasst; Holz, Werg, Seide, Brokat, Wolle, Baumwolle mit Pailletten- und Goldstickerei.
Aus fast 40 Figuren in unterschiedlichen Größen und zwei Gebäuden besteht die Krippe aus St. Leonhard. Ihre Provenienz lässt sich bis ins Jahr 1930 zurückverfolgen. Damals kaufte sie der Bonner Restaurator und Kunsthändler Hermann Bernhard Goldkuhle in Neapel. Aus welcher der vielen Sammlungen, die in dieser Zeit immer wieder auf Auktionen auftauchten, die Figuren stammen ist nicht bekannt. 1943 konnte der damalige Pfarrer von St. Leonhard 11 Figuren erwerben, die übrigen gelangten nach Goldkuhles Tod 1955 in den Besitz des Frankfurter Unternehmers Adolf Schindling. Im Jahr 2000 wurden sie aus dem Nachlass seiner Tochter Liselott Linsenhoff der Leonhardsgemeinde übereignet und in den vergangenen Jahren unter anderem mit Mitteln aus der Liselott und Klaus Rheinberger Stiftung aufwendig restauriert.
Seit 2021 können die Figuren nach der fast zehnjährigen Restaurierung der Kirche wieder vor Ort in St. Leonhard gezeigt werden. Dafür wurde ein eigens für die Krippe entworfener Aufbau geschaffen, dessen Form an einen Altaraufsatz aber auch an eine Bühne erinnert. Auf drei Ebenen erzählen die Figuren in verschiedenen Szenen von der Weihnachtsgeschichte und vom städtischen Treiben in Neapel des 18. Jahrhunderts. Im Hintergrund der Kulisse ist die Landschaft um die süditalienische Stadt mit Blick auf den Vesuv in weißer Zeichnung gestaltet.
Neapel und seine Krippen
Neapel wurde im 18. Jahrhundert zu einem Zentrum der Krippenherstellung. Die Begeisterung für die oft mehrere hundert Figuren umfassenden Installationen erfasste die ganze Stadt. Historische Reisebeschreibungen berichten, dass in Adelspalästen und Klöstern um die schönsten Inszenierungen gewetteifert wurde.
Die Geburt Christi im Stall wurde dabei nicht nur um die Hirten und den Zug der heiligen drei Könige ergänzt. Das Geschehen wurde ins zeitgenössische Neapel, auf Straßen und Märkte versetzt. Aufwendig gestaltete, illusionistische Landschaften bildeten den Hintergrund.
Die Krippenfiguren selbst wurden in Manufakturen arbeitsteilig produziert. Fein bemalte, ausdrucksvolle Köpfe und Gesten, vor allem aber die überaus kostbaren Gewänder sind typisch für die neapolitanischen Krippen. Noch heute werden in der Via San Gregorio Armeno mitten in der Altstadt Neapels Krippen hergestellt.
Das Jesuskind im Stall
Das Zentrum jeder Krippe bildet das Jesuskind mit Maria und Josef im Stall. Dieser Stall ist jedoch besonders gestaltet: In die Ruine eines antiken Tempels, wie man sie auf dem Forum Romanum finden könnte, ist ein provisorisches Dach aus rohen Brettern gezimmert. Die Ruine besitzt symbolische Bedeutung. Sie verweist auf den Alten Bund den Gott mit Israel geschlossen hat und der durch die Geburt Christi erneuert wird.
Ochs und Esel kommen in den Evangelien nicht vor, fehlen aber in keiner Krippe. Die beiden Tiere stehen für das Wort des Propheten Jesaja „Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn“ (Jes 1,3).
Die Hirten
Die Verkündigung an die Hirten wird im Lukasevangelium erzählt: „In dieser Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat ein Engel des Herrn zu ihnen und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie und sie fürchteten sich sehr. Der Engel sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr. Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt. Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.“ (Lk 2,8-14) Es sind die Armen, denen Gott zuerst erscheint, und die ihre Herde zurücklassen und die sich auf den Weg machen, um das wunderbare Kind zu sehen.
Die heiligen drei Könige
Der Evangelist Matthäus berichtet über die Sterndeuter, die von weither kommen um dem neugeborenen König der Juden zu huldigen. Aus den gelehrten Sterndeutern wurden später, an der Wende zum 11. Jahrhundert, die heiligen drei Könige. In den Krippen aus Neapel haben Kaspar, Melchior und Balthasar stets ein großes, exotisches Gefolge. Besonders die Frau in Pumphosen und einem langen roten Mantel fällt auf: eine Europäerin, die sarazenischen Piraten in die Hände gefallen ist und als Sklavin in den Orient kam.
Der Markt
In einer malerischen Palastruine haben sich Bürger und Bürgerinnen versammelt. Auch sie werden sich auf den Weg zur Krippe machen: die Frau auf dem Esel mit dem Baby an der Brust, der Dudelsackspieler, die Obst- und Gemüsehändler. Das liebevoll gestaltete Zubehör wie die Obstkörbe oder die beiden Vogelkäfige wurde ebenfalls von spezialisierten Handwerkern gefertigt. Die meisten dieser Figuren sind kleiner als die Hauptfiguren. So konnte eine illusionistische Szene mit Vorder-, Mittel- und Hintergrund aufgebaut werden.
Die Krippe ist vom 6. Dezember 2024 bis zum 2. Februar 2025 zu sehen:
Im Leonhardschor der Kirche St. Leonhard, Am Leonhardstor 25, 60311 Frankfurt am Main
Öffnungszeiten der Kirche: MO bis FR 15–19 Uhr, SA & SO 11–18 Uhr (außer während der Gottesdienste SA 18 Uhr, SO 11:30 Uhr und DI 18 Uhr)
Sonderführung zur Neapolitanischen Krippe mit Frau Dr. Schmitt: Montag, 06. Januar, 17 Uhr. Teilnahme frei, Spenden willkommen. Anmeldung unter: fuehrungen@dommuseum-frankfurt.de
Führungen in St. Leonhard: So, 14:00 Uhr, Teilnahme frei
Der Aufbau der Krippe 2020
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